Balkon am Mekong

2 12 2013

„You want to try? You can try! It’s good!“ Die Frau zeigt auf einen Berg knuspriger, fein gewürzter Taranteln. „Or this one? Very Good!“ Sie nimmt eine knackige Heuschrecke, die angeblich gar nicht übel schmecken, und schiebt sie in den Mund.

 

Links die Heuschrecken, rechts die Spinnen, oben Pomelos

Ich halte mich lieber an eine andere lokale Spezialität: Cashewnüsse. Ich bin unterwegs nach Kratie, einem Städtchen auf halbem Weg zwischen Phnom Penh und Laos, und der Bus hat einen Zwischenstop in Skuon (auch spiderville genannt) eingelegt. Die Fahrt ist anstrengend, in jedem Dorf werden weitere Passagiere, Taschen und Reissäcke in den Bus gestopft und so sacken wir immer tiefer in die zahllosen Schlaglöcher. Dann sind wir endlich am Ziel, und als ich meinen Rucksack zum Guesthouse schleppe, habe ich kaum Augen für die Strasse oder die Stadt, denn zu meiner Linken breitet sich eine riesige Wasserfläche aus, das große Wasser, der Mekong. Er ist auch hier mindestens einen Kilometer breit, lässt jetzt zu Beginn der Trockenzeit ein paar Sandbänke sehen und das Wasser fließt gemächlich gen Süden. Was für ein riesiger, friedvoller Strom! Die Promenade, das Hafenbüro, die Fischerboote und vor allem das Licht – man fühlt sich wie am Meer.

 

Hafenbüro und Schiffsanleger in Kratie

Im guesthouse balcony wird meine Begeisterung für diesen Fluss noch weiter angefacht, denn der riesige Balkon geht direkt auf den Mekong und so kann ich zu jeder Tageszeit die Farben des Wassers betrachten, das leichte Kräuseln der Oberfläche und den wenigen Schiffen zuschauen. In Vietnam war der Mekong eindeutig Braun, hier ist er mal silbern oder grau oder beige, manchmal rötlich oder grünlich. Eigentlich hat er eher die Farbe der Erde als des Wassers und vielleicht macht genau dieses Zwitterdasein zwischen Wasser und Erde, die ja sonst nicht fließen kann, seinen Reiz aus.

 

 

Fischer am Mekong 

Tags drauf fahre ich mit dem Rad in Richtung Norden, passiere kleine Dörfer, und oft rufen Kinder hello! und winken. Doch auch die Erwachsenen, die entlang der Strasse kleine Geschäfte betreiben oder selbst mit Rad oder Roller unterwegs sind, lächeln mir zu. Die Häuser stehen auf Stelzen, darunter wird der Roller geparkt, der Reis gelagert oder das Vieh gefüttert. Und wenn es zu heiß ist, schaukelt man dort in der Hängematte.

 

 

Dorfstraße bei Krati

 

 

Ich komme an einem Tempel vorbei, mache Halt und staune über die farbenfrohen Skulpturen und über die Mönche. Manche von ihnen sind kaum zehn Jahre alt.

 

 

 

Ein weiterer Tempel liegt auf einem Hügel, und auch hier komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Am Eingang sind zwei junge Männer damit beschäftigt, neue Elefanten für das Portal zu bauen, anscheinend haben sie Spass an der Arbeit, sie lachen, machen Faxen und winken mir zu.

 

Mehrere lange Treppen führen auf den Hügel hinauf. Sie sind gesäumt von lebensgroßen, orangefarben gekleideten Mönchen mit Bettelschale. Auf kleinen Tafeln zu ihren Füssen stehen jeweils Name und Herkunft des edlen Spenders; viele kommen aus Australien. Dieses Kloster ist auch offen für Gäste aus aller Welt, die hier meditieren wollen.

 

Auf dem Weg blitzte er immer wieder zwischen den Häusern und Palmen durch, oben vom Hügel blickt man auf ihn hinab und endlich bin ich dann wieder an seinen Ufern, am Mekong. Ich lasse mich mit einem Boot mitten auf den Fluss fahren, in dem hier kleine Pflanzeninseln schwimmen und da und dort Sandbänke durchs Wasser schimmern. Wir fahren ein Stück, dann hält der Schiffer an, macht den Motor aus und guckt aufs Wasser. Da! Bedeutet er mir dann und ich folge seinem Fingerzeig und sehe eine schwarze Flosse. Dann einen buckeligen Rücken, einen Kopf, zwei Flossen. Delphine. Im Mekong leben Süsswasserdelphine. Die sind sehr selten und man darf sich nur mit ortskundigen Führern zum Dolphin-watching in ihre Nähe begeben. 

dolphin-watching 

 

Am nächsten Tag setze ich mit der Fähre zu der Insel über, die gegenüber von Kratie im Mekong liegt. Es ist eine lustige Truppe versammelt: ein paar Schulkinder in ihren Uniformen (weiße Bluse bzw. weißes Hemd und dunkelblaue Hose bzw. Rock), Frauen in Pyjamas (hier eine beliebte Damenoberbekleidung, bei der Hitze kein Wunder, dabei sehr kleidsam!), die meisten mit Hut und viele auch noch mit Gesichtsschutz, den sie wie eine Atemmaske tragen. Um nicht Braun zu werden. Ein älteres Ehepaar zieht Bänder in den neuen Bootsvorhang, die Frau, die später das Fahrgeld eintreiben wird, schaukelt gemütlich in einer Hängematte direkt hinter dem Bootsführer, zwei Mönche in Orange sitzen freundlich lächelnd in der schwatzenden, lachenden Gesellschaft. Eine junge Neuseeländerin und ich sind die einzigen Fremden.

Wir tun uns zusammen und radeln gemeinsam um die Insel. Von hier aus gesehen ist der Mekong manchmal sogar blau, doch viel beeindruckender sind die großen Sandbänke. In der Regenzeit werden sie überschwemmt sein, doch jetzt liegen sie vor der Insel wie eine Dünenlandschaft. 

 

 

 

Wir schauen uns auch die schwimmenden Dörfer auf der anderen Seite der Insel an. Die andere Attraktion bekommen wir nicht zu Gesicht: die Schlammschildkröten, die angeblich bis zu einem Meter groß werden.

Nach ein paar Tagen stelle ich erstaunt fest, dass Kratie auch eine Markthalle, Restaurants und eine Einkaufsstraße hat; bis dahin hatte ich nur Augen für den Mekong. Und dessen Reize kann keine noch so hübsche Stadt übertrumpfen. 

 

 

 

Blick vom Balkon am Mekong

 



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2 Antworten zu “Balkon am Mekong”

  • stefanie schulte-rolfes sagt:

    Ui ui, du hast ja wieder Romane geschrieben. Schöne Bilder die du malst, sowohl mit Worten als auch mit der Kamera. Ist deine wieder aufgetaucht? Herzlichen Dank für die beiden Postkarten. Die aus China ist gestern gekommen 😉 Ich wär auch gern auf dem Balkong in Mekong 🙂 Na ja, wir haben hier gestern die erste Adventskerze angezündet und “ Mach hoch die Tür “ gesungen. Ist auch schön 🙂 In diesem Sinne “ Advent Advent !( heißt ja Ankunft ! ) ……..

  • Marita Waibel sagt:

    Deine Eindrücke sind eine Wohltat für mich! Dein Blick auf die Menschen, die Dinge und die Natur sind stimmungsvoll. Der Blick vom Balkon auf den Mekong schafft Nähe. Du machst das Richtige, du bist unterwegs und begegnest dir selbst, das ist wunderbar.

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