Bangkok zwischen shutdown und Chinatown

17 01 2014

„Bangkok shutdown“ war angekündigt: Die Gegner der Regierung wollten für einen Tag die gesamte Stadt lahmlegen, Kreuzungen besetzen, Straßen sperren, den Alltag zum Erliegen bringen. Aus Protest gegen die korrupte Regierung. Da hält man sich als „Farang“ lieber fern vom Ort des Geschehens, zumal im Internet so grausige Geschichten zu lesen waren wie die eines bevorstehenden Militärputsches am 14. Januar, angeblich schon von Astrologen als optimaler Termin festgelegt. Und Militär werde ohnehin gerade in der Stadt zusammengezogen, weil praktischerweise am 18. Januar der Tag der Armee sei. Und den wolle man mit Prunk und Paraden begehen. Doch am 18. Januar geht mein Flug nach Myanmar, und zwar ab Bangkok. Und dafür brauche ich noch das Visum, das bekommt man nur in der burmesischen Botschaft, die sich wie alle Botschaften im Regierungsviertel befindet. 

Da hilft kein Jammern und kein Klagen, ich muss nach Bangkok, und etwas nervös besteige ich dann in Ayutthaya den 3. Klasse-Zug in die Hauptstadt. Mir gegenüber ein Mann mit einer Kette mit dem Konterfei des Königs, ein anderer trägt ein T-shirt mit der Aufschrift „Bangkok shutdown“, manche tragen Bändchen in den Nationalfarben rot-blau-weiß. Der Zug ist angenehm leer, die Sitze sogar gepolstert, und so rattere ich durch Reisfelder, Dörfer, Städtchen, bis die ersten Slums einer Großstadt auftauchen. Menschen, die direkt neben den Bahngleisen leben, und zwar nicht nur vorübergehend. Der Zug scheint mitten durch ihre Hütten zu verlaufen und bietet Einblick in Schlafzimmer, Badezimmer, Toiletten. Direkt neben den Gleisen wird Wäsche gewaschen, kleine Garküchen brutzeln das Mittagessen, Kinder spielen, Hunde gähnen, als gäbe es die Bahn gar nicht. 

Dann kommen wir an. An der Decke blasen seltsame Ventilatoren etwas in die Luft – oder sieht das nur so aus?

Auf dem Bahnsteig von Hua Lamphong, Bangkok

 In der Bahnhofshalle haben sich etwa hundert Menschen auf Matten und Decken niedergelassen, die ersten Demonstranten. Um im Notfall schnell die Flucht antreten zu können, habe ich mir ein Hostel direkt am Bahnhof gesucht. Alles ist ruhig, von Demos keine Spur, bis auf ein paar Straßenverkäufer, die diverses Zubehör wie Pfeifen und Fahnen verkaufen. 

Ich halte mich von den unruhigen Stadtvierteln fern und mache einen Gang durch Chinatown, das mich gleich an Hongkong erinnert. So muss das alte China gewesen sein, vor dem Kommunismus. Ganze Straßenzüge muten chinesisch an. Metallwerkstätten, Kabelrollen, Edelsteingeschäfte, Ersatzteile, Garküchen, Gassen mit Pflanzen und Bäumen, chinesische Zeichen auf den verrußten Schildern der Läden. Tempel mit grellen Farben, Drachen mit gefährlichen Zacken und angsterregenden Dämonen. Die weisen, gleichmütigen Gesichter der Alten.

 

 

Blick in eine Metallwerkstatt

Zweiter Blick in eine Metallwerkstatt

 

Natürlich verlaufe ich mich und finde mich auf einer breiten, vierspurigen Straße wieder, über der jede Menge knallroter Banner mit chinesischen Zeichen gespannt sind. Chinatown. Die ersten Läden mit chinesischen Spezialitäten und Medikamenten wie getrockneten Seepferdchen und seltsamen Knollen, Tieren und Wurzeln. Foodstalls bieten chinesisches Essen an, über einer Gasse baumeln Hunderte roter Lampions, Tische werden aufgebaut, man bereitet sich auf den Nachtmarkt vor. 

Straßenszene Yaowarat Rd., Chinatown Bangkok

Wagenladungen voller stinkender Durians sorgen für Streit, vor den schickeren Restaurants fahren dicke Limousinen vor, Straßenhändler bieten rotseidene Kleider an. Berge von Mandarinen, Granatapfelsaft, chinesische Backwaren, Fische in trüben Aquarien. 

Straßenszene Bangkok

Keine Spur von Aufstand, denke ich, als ich zu Bett gehe. Den Schauder des Tages jagt mir dann eine fette Kakerlake ein, die in meinem blitzeblanken hostel hinter die Toilette huscht…

Am nächsten Morgen beim Frühstück fällt mir vor Schreck fast die Teetasse aus der Hand. Direkt vor der Tür zieht ein Demonstrationszug vorbei. Hunderte, Tausende von Menschen, manche mit Schildern, Fahnen, Blau-weiß-roten Schleifen laufen friedlich gen Bahnhof.

 

„Bangkok shutdown“ 15.1.2014

 Ein Lastwagen voller Fahnen schwenkender, zum Teil maskierter Demonstranten kommt näher, sieht nach Revolution aus, aber solche Masken tragen hier viele im Straßenverkehr, Männer wie Frauen. Sie sehen aus wie Leute vom Land, wie Bauern, und ihre Gesichter sind eher kraftvoll als zornig. Sie wollen etwas, sie haben sich für ihre Interessen stark gemacht, viele strahlen mich an und zeigen stolz ihre Transparente.

„Bangkok shutdown“ 15.1.2014 

Später sehe ich Gruppen von Demonstranten ratlos vor den Fahrkartenautomaten des supermodernen skytrains stehen, wo auch ich stehe, um mir ein Ticket für die Fahrt ins Regierungsviertel Silom zu kaufen, denn dort liegt die Botschaft von Myanmar. Nun muss ich in die Höhle des Löwen, ob ich will oder nicht. Vor der Kulisse der Wolkenkratzer Bangkoks, der Geschäftshäuser, Fernstraßen und Einkaufsmalls werden Fahnen geschwenkt, Menschen haben sich versammelt, halten Reden, kampieren auf dem Platz. 

 „Bangkok shutdown“, Bangkok Silom, 15.1.2014 

 

Ich kann mein Visum am gleichen Tag abholen, und am Abend ist dann schon deutlich mehr los in Silom. Der Platz hat sich gefüllt, ein Redner spricht temperamentvoll zu den Massen, sein Bild wird auf eine große Leinwand projiziert. Ich unterhalte mich eine Weile mit einem jungen Thai. Die Regierung sei korrupt und die Präsidentin nur eine Marionette ihres Bruders, der aus dem Hintergrund immer noch die Fäden ziehe, obwohl er vor Jahren wegen Korruption verurteilt wurde. Man fordere ihren Rücktritt und Neuwahlen erst nach Reformen. Vieles verstehe ich nicht, aber das Thema wird mich noch eine Weile begleiten, denn in den nächsten Wochen werde ich noch mehrmals nach Bangkok kommen.

 

 

 

 

 



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3 Antworten zu “Bangkok zwischen shutdown und Chinatown”

  • Marita Waibel sagt:

    Hallo Bettina,

    ich habe schon ganz erwartungsvoll auf deine Zeilen gewartet und bin froh über deine Schilderungen und Bilder. Meine Güte, Bettina, du hast es ja faustdick hinter den Ohren und bist genau zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Herzlichen Glückwunsch! Miramar, das ehemalige Burma, puh, du bist mutig, das gefällt mir und ich weiß genau, dass du nicht übermütig wirst. Bitte, schreibe und berichte aus der großen weiten Welt, die durch deine Augen kleiner und vertrauter wird.

    Liebste Grüße von
    Marita

  • Mathias sagt:

    Guten Morgen liebe Bettina,

    nein, nein, ich habe Dich natürlich nicht vergessen, aber aus familliären Gründe saß ich nur wenig am Rechner. Umsomehr freute ich mich heute endlich Deinen letzten Reisebericht zu lesen. Bei Dir ist ja ordentlich was los und ich hoffe, es wird in Myanmar etwas ruhiger.
    Bei jedem Fernsehbericht über die Demonstrationen saßen wir stets gebannt am Bildschirm, um Dich zu erblicken. Aber na ja, das hat wohl nicht so ganz geklappt (Scherz!). Vielleicht beim nächsten Mal?! Dich als Korrespondentin kann ich mir sehr gut vorstellen. Nach diesem schönen Ausflug mit Dir durch Bankong muss ich mich in den alltäglichen Wahnsinn begeben.
    Ich wünsche Dir weiterhin eine gute und interessante Reise. Bleib gesund!

    Liebe Grüße Mathias

  • stefanie schulte-rolfes sagt:

    Jetzt hat sie ja schon länger nicht gepostet ?????

    ……..Aber eine weitere schöne Postkarte ist angekommen. Lieben Dank und ich hoffe du bist wohlauf. Herzlichst deine Family

    http://www.t-online.de/reisen/asien/id_64282196/myanmar-im-wandel-ein-geheimtipp-unter-asien-reisenden.html

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