Angkor what?? Cambodia revisited

4 03 2014

Lavaströme ergießen sich über ein altes Gemäuer und erstarren. Ein Walfisch schlappt mit der Schwanzflosse einen Tempel um. Dinosaurier sind über den Hof gelatscht und haben mal eben den Kreuzgang des Klosters flachgelegt und Platz gemacht für allerlei tropisches Gestrüpp. Riesenkraken umschlingen mit ihren Tentakeln die Mauerreste. Bildschöne Tänzerinnen – oben ohne! – wiegen sich in den Hüften, Abendsonne fällt auf die drei Meter großen Gesichter, die über den Dschungel blicken, eine Gruppe Chinesen legt die Kameras gar nicht mehr aus der Hand und sagt unisono ooooooh und dann blickt auch noch Angelina Jolie um die Ecke.

 

 

 

 

 

 

Angkor im Zentrum von Kambodscha ist das Synonym für das größte religiöse Bauwerk der Welt, für das längste Flachrelief, das die Menschheit je geschaffen hat, für die größte Herausforderung, der sich Archäologen je stellen mussten. Vom 9. bis zum 15. Jahrhundert, über einen Zeitraum von fast 600 Jahren haben 36 Khmer-Könige hier Tempel, Klöster, eine Stadt für die Götter gebaut. Dabei wurde auch schon mal die Religion gewechselt: Was ursprünglich buddhistisch war, wurde von einem späteren Herrscher dem Hinduismus geweiht. Die Steinmetze schlugen die Buddhas aus den Reliefs und ersetzten sie durch hinduistische Gottheiten. Das Reich der Khmer erstreckte sich einst von Myanmar bis nach Vietnam, und noch heute präsentiert man am Königspalast von Phnom Penh voller Stolz die alten Karten.

 

Reliefs 

 

Nach der Blütezeit von Angkor, das über eine Million Einwohner zählte, versanken die Tempel im Dschungel und wurden zuerst 1860, dann 1992 vom Westen entdeckt. Die Einheimischen hingegen haben Angkor nie vergessen. Dort schlägt das Herz des Landes, und wer die monumentalen Gesichter vom Bayon einmal genauer betrachtet hat, der wird deren stolze Züge bei den heutige Kambodschanern wieder entdecken.

 

 

Das Areal umfasst 1000 Quadratkilometer,  und wir wollen uns die Pracht in Ruhe ansehen. So beißen wir in den sauren Apfel, legen je 60 Dollar auf den Tisch und bekommen einen 7 Tage-Pass mit digitalisiertem Foto. Doch selbst eine Woche reicht kaum aus für die wichtigsten Tempel. Am ersten Tag lassen wir uns per Tuc-Tuc zu Angkor Wat, dem Haupttempel, fahren, gehen ein paar Kilometer zu Fuß und müssen dann doch einsehen, dass die Distanzen dafür zu groß sind. Am nächsten Tag leihen wir uns Räder, sind aber am Abend so erschöpft vom Radfahren bei der tropischen Hitze, dass wir das lieber nicht wiederholen. Um auch die weiter entfernten Tempel zu sehen, schließen wir uns dann einer Tour an, bei der auch der immerhin 60 Kilometer entfernte Beng Mealea angesteuert wird. 

Eingang zu Angkor Wat, dem Hauptempel

Manche Tempel sind so weit wieder hergestellt, dass man durch die alten Gemäuer schreiten und sensationelle Reliefe und Skulpturen bewundern kann, andere hat der Dschungel fest im Griff. Riesige Würgefeigen wachsen aus den Ruinen, haben die Mauern umgeschmissen und Trümmerhaufen hinterlassen. Auch die „Entdecker“ haben ihre Spuren hinterlassen. Die Franzosen haben einige der Tempel freigelegt und die Urwaldriesen abgeholzt, was zur Folge hatte, dass das Gestein durch die extremen Witterungsverhältnisse der Tropen, durch sengende Sonne und ausdauernde Regenfälle, porös wurde. Die Inder haben späterhin mit Drahtbürsten die Flechten abgeschrubbt und die Tempel mit dem Wasser der umliegenden Bewässerungsseen gereinigt. So kamen jede Menge Bakterien, Pilze und Getier auf die aufgerauten Oberflächen und es dauerte nicht lange, bis alles schwarz war. Das ursprüngliche Weiß oder Hellbraun des Sandsteins kann man nur noch auf alten Fotografien erahnen.

Archäologen bei der Arbeit

Heute streiten die Archäologen darüber, ob man die Tempel in dem Zustand belassen soll, in dem man sie vorgefunden hat, also bewachsen, überwuchert, in einem Kampf mit der Natur, der eine ganz starke mystische Atmosphäre hervorbringt und eines der Grundmotive aller Kultur illustriert, die Auseinandersetzung zwischen der Zivilisation und der Natur. Oder soll man die Tempel selbst in den Mittelpunkt stellen, die Bäume abholzen und das kulturelle Erbe Kambodschas für die Nachwelt erhalten?

 

Skulpturen und Reliefe in der Zitadelle der Frauen, die aus rotem Sandstein erbaut wurde

 Dem Zauber von Angkor kann man sich als als Besucher kaum entziehen. Manchmal meint man, ganz allein zu sein in einem vor Jahrhunderten verlassenen Gemäuer, denkt an Buddha, Brahma, Vishnu, Shiva, sinniert über die Natur, die sich ihr Terrain zurückerobert. Betrachtet fasziniert die Wurzeln, die sich dick wie Elefantenbeine durch die Fenster schieben. Dann hört man plötzlich leise Gesänge, am Ende dunkler Gänge brennen Kerzen, werden Blumen geopfert. 

eine Nonne verkauft Räucherstäbchen 

  

Altar in den Ruinen (Foto: Leo)

 

 

 Auf der Brücke zu Ta Prohm

Vor den Tempeln lauert eine ganze Armada von Verkäufern auf die Besucher. Das Sortiment reicht von Kleidung über Bücher, Schmuck, Buddhas bis zu Souvenirs aller Art. Kinder streichen herum und betteln.  In einem abgelegenen Tempel hat sich eine Familie ein Feuerchen gemacht, um dort das Mittagessen zu grillen – Frösche. 

 

Frösche grillen im Tempel

Die Einheimischen leben in erschreckender Armut – obwohl die Touristenströme in Angkor eine Menge Geld lassen. Angkor ist d i e  kulturelle Attraktion Südostasiens und für das Jahr 2011 schätzt man die Zahl der Besucher auf ca. 3 Millionen. Doch das Geld kommt nicht bei der Bevölkerung an. Die Einkünfte aus den Ticketverkäufen gehen an einen Konzern, der einen Teil an die Regierung abführt. Hotels und Restaurant sind in den Händen auswärtiger, wenn nicht ausländischer Finanziers. Die Grundstückspreise in Siem Reap, der nächstliegenden Stadt, in der sich die Hotels und Restaurants drängen, sollen sich auf dem Niveau westlicher Großstädte bewegen. Nicht einmal das Personal der Hotels besteht aus locals, sondern wird aus den kambodschanischen Großstädten rekrutiert, aus Phnom Penh und Battambang, wo man Englisch lernen kann. 

 

Pub Street in Siem Reap (Foto: Leo)

So kommt es, dass eine Stadt mit den größten Schätzen der Menschheit stellenweise im Dreck versinkt und kaum Schulen für ihre Kinder hat. Apropos Schulen: wie in allen Bereichen der Gesellschaft ist Korruption auch hier ein Thema. Wer auf eine weiterführende Schule möchte, tut gut daran, dem Lehrer gelegentlich etwas zukommen zu lassen. Doch auch wer das macht, lebt gefährlich. Bei wichtigen Prüfungen versammeln sich Verwandte und Bekannte vor dem Schulgebäude. Sobald jemand die Prüfungsfragen herausgeschmuggelt hat, brüten alle über den Aufgaben. Die Lösungen werden auf ein Blatt Papier geschrieben, das wird um einen Stein gewickelt und durchs hoffentlich offene Fenster in die Klasse geworfen. Jedes Jahr werden etliche Schüler durch herumfliegende Steine verletzt.

 

 

P.S. bis 1970 war Kambodscha eines der reichsten Länder der Region und wurde „die Schweiz Asiens“ genannt

 



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7 Antworten zu “Angkor what?? Cambodia revisited”

  • Karin Baseda-Maass sagt:

    Hallo Bettina,
    Das ist ja wieder ein toller Bericht!
    Besonders deine Schilderung der Familienhilfe bei Schulprüfungen hat mir gut gefallen. Das sollte auch hier Schule machen, finde ich 🙂

    Liebe Grüße
    Karin, die gerade aufgestanden ist. Bei dir ist ja schon Nachmittag …

  • Angela sagt:

    Hallo Bettina!
    Die Anlage sprengt ja jedes Vorstellungsvermögen in puncto Größe, kultureller und botanischer Entwicklung, sowie der heutigen Atmosphäre, die alles vereint. Im Vergleich dazu wirkt das thailändischen Anlagen so groß wie Verlehrsinseln;-).
    Bon voyage weiterhin!
    Angela

  • Marita Waibel sagt:

    Liebe Bettina!
    Liebe Mitleserinnen und Mitleser,

    wie schade, dass es schon vorbei ist und ich von jetzt ab an nicht mehr so eindrucksvolle und verzaubernde, sinnliche und beschreibende Reiseberichte lesen kann! Und die Kommentare dazu. Es war eine spannende und interessante Zeit und ich bedanke mich herzlich für die schönen Stunden!

    Komme gut zurück, du Liebe!

    Bis bald,
    Marita

  • Angela sagt:

    Liebe Marita,
    liebe MitleserInnen,
    wenn wir weiterlesen wollen, dann legen wir doch einfach für ein Reiseberichterstatterin-Stipendium zusammen;-).
    Schön, das mit Bettina auch der Frühling nach Hamburg kommt…
    Gute Flug + bis die Tage!
    Angela

  • Karin Baseda-Maass sagt:

    Liebe Bettina!

    Herzlichen Dank für die spannenden Einblicke in deine Reise und für die vielen tollen Fotos!
    Und: herzlich Willkommen zurück!

    Liebe Grüße
    Karin

  • Mathias sagt:

    Hallo liebe Bettina,

    Deinen letzten schriftlichen Reisebericht mag ich gar nicht lesen bzw. hebe ich ihn mir für einen besonderen Moment auf, da ich weiß, dass es wohl der letzte aus der Ferne sein wird. Die Bilder jedenfalls sind schon mal wieder eine Klasse für sich. Spannend!
    Momentan freue ich mich um so mehr Dich wieder wohl auf in Hamburg zu wissen und warte schon auf den Zufall Dich auf dem Markt oder sonstwo beim Einkaufen zu treffen. Schade, dass ich gestern nicht dabei sein konnte. Aber so ist der Alltag hier eben.

    Liebe Grüße von nun wieder fast nebenan!
    Mathias

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