halong bay – die Bucht des untertauchenden Drachen

28 10 2013

In den Bergen lebte einst ein großer Drache. Eines Tages lief er zum Meer und zog dabei mit seinem Schwanz tiefe Furchen ins Land. Als er dann in die Fluten stürzte, wurde das Land überschwemmt und es blieben nur noch die Gipfel der Berge übrig. Die ragen nun aus dem Wasser – fast 3000 an der Zahl. Mitten in dieser spektakulären Landschaft liegt Cat Ba Island, wo ich mir ein paar Tage Erholung von den grossen Städten gönne. 

 

 

Der Blick von meinem Balkon auf cat ba Island

 Die Bucht liegt voller Dschunken, Schaluppen und Fischerboote.

 Essen fassen im Hafen

 

Was trägt man eigentlich zuerst auf? Die Sonnencreme oder das „Nobite“ (Moskitoschutz)? Beides ist nötig, denn ich habe mich zu einem Ausflug „Trekken im Nationalpark auf cat ba Island“ angemeldet. Es geht also in den Dschungel und ich freue mich auf ein paar Stunden Waldspaziergang mit einer munteren Gruppe weiterer Traveller. Es seien etwa zehn andere, hatte es im Hotel geheißen.

Was für ein Glück, dass mein Hotel mit Gas kocht, denke ich, als ich meinen Mangopfannekuchen verspeise, denn sonst hätte ich ohne Frühstück aufbrechen müssen. Auf der Insel ist über Nacht der Strom ausgefallen. Pünktlich um acht hupt der Bus, ich springe rein, entdecke nur zwei, drei weitere Langnasen, denke mir aber nichts dabei. Als wir dann am Parkeingang ankommen, stellt sich heraus, dass die anderen nicht zu meiner Gruppe gehören. Denn die besteht nur aus dem Guide und mir. Wir würden dann 14 Kilometer laufen und 6 Berge erklimmen und ob ich Wasser dabei hätte, fragt er noch, schnitzt sich einen Stecken zurecht – um Schlangen abzuwehren, folgere ich sofort und frage mich, ob ich das wirklich tun soll, ganz allein mit einem fremden Mann, 14 Kilometer, das klingt ganz anders als 3 Hour Walk, wie es in dem Prospekt geheißen hatte. Aber er grinst mich freundlich an, ein ruhiger Mann um die 50 mit gefärbtem Haar, und ich befinde, dass er wohl kaum seine berufliche Existenz und alles weitere aufs Spiel setzen würde, um mich im Dschungel zu ermorden und beschließe, ihm zu folgen. 

Wir marschieren eine schmale asphaltierte Strasse entlang und jede Menge Schmetterlinge flattern in der Sonne. Kleine gelbe, spatzengrosse pelzige Schwarze, hellblau gemusterte. Dann wird der Wald dichter, kompakter und höher, bis er uns ganz umschliesst. ie seltenen Languren, eine Affenart, die hier lebt, bekomme ich nicht zu Gesicht, aber jede Menge merkwürdiger Insekten, schroffer Felsen, mannshoher Blätter, seltsamer Schlingpflanzen, wilder Papayas und tropischer Gehölze, die bisweilen sogar vornehm ein Namensschild tragen, schliesslich sind wir hier in einem der bedeutendsten Nationalparks Vietnams. Tan, so heißt mein Guide, zeigt mir eine riesige Spinne, die in einem riesigen Netz am Wegrand auf Beute wartet. Mitsamt ihrer Beine hat sie etwa 20 Zentimeter Durchmesser. Plötzlich bleibt er stehen und deutet ins Unterholz. Da hat sich eine giftgrüne Schlange um einen Busch gewunden.

 Kleine grüne Schlange – nicht bei Hagenbeks, sondern in echt!

 

Baum mit Namenschild 

Manche der riesigen Blätter haben jede Menge kreisrunder Löcher. Warum? Wie mir Tan erklärt, war da nicht der liebe Gott mit einem Locher zugange, sondern ein paar doofe Schnecken mampfen solange Grünzeug, bis sie durch das Loch nach unten plumpsen.

Was als asphaltierte Straße begann, wird zum Weg, zum Pfad, bis nur noch gelegentliche rote Pfeile erahnen lassen, dass hier schon mal jemand hergegangen sein muss. Der fünfte Berg hat es dann in sich, wir steigen schroffe Felsen hinauf. Ohne meinen Guide wäre ich hier verschütt gegangen und ich frage mich, was mit den anderen touris ist, die den Park auf eigene Faust erkunden wollen, als ich schweissüberströmt einen Fuß vor den anderen setze und bei jedem Schritt höllisch aufpassen muss, dass ich nicht abrutsche oder das Gleichgewicht verliere. Die Gefahr ist weniger, in die Tiefe zu stürzen, als auf den glatten Steinen abzurutschen und sich den Knöchel zu brechen oder die Hand oder ein paar Finger.

Nach vier Stunden haben wir es dann fast geschafft. Die Berge liegen hinter uns, wir erreichen die Ebene. In einem abgeschiedenen kleinen Dorf hat mein Guide uns per Handy zum Mittagessen angemeldet. Am Tag zuvor waren es 14 touris, erzählt er. Noch eine halbe Stunde gemütlicher Spaziergang, dann sind wir da und ich bekomme reichlich zu essen: 7 verschiedene Teller, Schalen und Schälchen werden vor mir aufgebaut: Reis, Schweinefleisch mit Gemüsezwiebeln und Paprika, Kartoffeln in Soße, eine Art Spinat, ein Omelette mit frühlingszwiebeln und Tomaten, ein Schälchen frisch geröstete Erdnüsse bestreut mit grobem Salz und ein Schälchen Sojasoße mit reichlich Knoblauch. Während ich mir den Bauch vollschlage, springt im Haus meiner Gastgeber plötzlich der Fernseher an und statt der Geräusche eines Dorfes (Hundebellen, mal ein Fahrrad, mal ein Kind, allerlei Getier, ein bisschen Zwitschern und ein Hahn, der kräht) erklingt plötzlich die Stimme eines vietnamesischen Fernsehstars. Es klingt nach Quizshow. Der Stromausfall ist behoben.

Nach dem Essen verzieht mein Guide sich ins Innere des Hauses und macht in einer Hängematte ein Nickerchen und ich habe Zeit, den Blick über die Wiesen schweifen zu lassen, in denen massige Schwarze Wasserbüffel eine erstaunliche Freundschaft mit anmutigen weißen Kormoranen pflegen. Dann tauchen die anderen touris auf, es ist ein englisches Pärchen. Doch, sagen sie, sie hätten den Weg gut gefunden, nur einmal hätten sie das GPS angestellt.

Noch eine Stunde Fussmarsch und wir erreichen wir einen kleinen Hafen. Mit einem Bötchen werden wir nach Hause gefahren.

 

Tags drauf schippere ich ausgiebig durch die spektakuläre Landschaft. Da im internet schreckliche Geschichten von gesunkenen Touristenbooten kursieren, will ich lieber nicht auf einem übernachten, sondern es bei einer Rundfahrt belassen. Wir kommen an zahllosen Karstkegeln vorbei, die sich die ganze Küste hinaufziehen, bis nach China. Um Cat Ba Island herum leben viele Menschen auf Booten, es sind geradezu schwimmende Dörfer. Hühner gackern, Hunde bellen, es gibt Läden und eine Schule. Hier werden Fische gezüchtet, Perlen kultiviert. 

 

Dann geht das Boot vor Anker: kayaking ist angesagt, aber ich will nicht kayaken, denn ich erinnere mich mit Schrecken an die letzten Versuche auf dem Plöner See, bei denen ich mitsamt meinem Sohn in den Binsen, wenn nicht gleich im Wasser gelandet bin. Außerdem habe ich mir bei meiner Exkursion in den Dschungel die Hand verknackst. Ich lege mich auf die warmen Planken des Oberdecks, das Boot schaukelt sanft, und bestaune, was der Drache hier hinterlassen hat.

Fischer bei cat ba Island

Kaum sind alle wieder an Bord, heißt es: Höhle besichtigen, aber ich gehe auch nicht gerne in enge Höhlen. Ich beschließe, es wenigstens zu probieren,und tapse mit in die feuchte Dunkelheit, in der seltsame Gebilde aus dem Boden wachsen und von der Decke ragen, bis der Guide sagt, jetzt würde es dann eng, immer zwei sollten ihm folgen und den Kopf einziehen und in einen dunklen Gang kriechen. Da will ich dann doch lieber zurück zum Schiff, doch als ich mich zum Eingang der Höhle getastet habe, ist da kein Schiff mehr. Blitzschnell denke ich alle möglichen Szenarien durch: das Schiff holt die Touris am Ausgang der Höhle ab. Ob mich jemand vermissen wird? Ich bin mir nicht so sicher. Muss ich dann hier übernachten oder gar überwintern? Die Höhle wird immer enger und ich kann kaum dem Drang widerstehen, einfach hinaus ins Freie zu schwimmen, ins weite chinesische Meer. Endlich sehe ich eine Taschenlampe flackern, der guide kommt und sagt, das Schiff käme in einer halben Stunde zurück, solange müsse ich dann warten. Puuh, Aufatmen!

Wir schippern noch den ganzen Tag durch die Bucht und immer neue Felsformationen tauchen aus dem leichten Dunst auf. Als ich abends in mein Hotel komme, schwankt der Boden noch immer.

Halong Bucht 

  

 



Café in Hanoi

21 10 2013

Kaffeegeschäft in Hanoi

 

Er schmeckt ein bisschen schokoladig, sehr würzig und kräftig, aber kein bisschen sauer, hat eine feine schaumige Crema. So einen köstlichen Kaffee habe ich noch nie getrunken, dabei ist es nur ein winziges Probiertässchen, der Kaffee ist schon fast kalt und sehr süß, aber so lecker… Ich bin in einem Kaffeegeschäft in der Altstadt von Hanoi, wo uns eine Probe der Spezialität des Hauses kredenzt wurde. Und das war, nun ja, ich habe es auch erst danach erfahren, der berühmte Wieselkaffee, der aus den Bohnen hergestellt wird, die das possierliche Tier verzehrt und dann in seinem Verdauungstrakt fermentiert hat.

Die Anreise aus China lief besser als erwartet. Außer einem jungen Schweden und mir waren keine weiteren Langnasen an Bord. Die Landschaft wurde grüner, der Reis stand noch auf den Feldern, vermrutlich regnet es öfter mal.Der Bus war richtig komfortabel, eine Stewardess kümmerte sich um die Formalitäten und um unser leibliches Wohl. An der Grenze mussten dann alle aussteigen, ihr Gepäck schultern und zu Fuß zuerst über die chinesische, dann über die vietnamesische Grenze. Dann wieder in den Bus und weiter ging’s, bis zum nächsten Stop: „Lunch!“ In China werden viele Schüsseln auf den Tisch gestellt (meist auf ein drehbares Rondell) und alle bedienen sich, aber hier gab es ein hellblaues Plastiktablett für jeden, mit Vertiefungen für Suppe (mit einer dicken Kartoffel,welch ein Genuss!), Reis, Sprossen mit Fleisch, gewürztem Tofu, Fleisch mit Soße – vielleicht Schaf. Alles lecker!! 

Vietnamesin in Hanoi

 

Hanoi hat jede Menge Kultur, Flair und Charme. Die französische Kolonialarchitektur vermodert langsam in der tropischen Hitze, im Tempel werden die sterblichen Überreste der goldenen Schildkröte aufbewahrt und mitten in einem Geschwader von Motorrollern schreitet eine Frau in einem langen vietnamesischen Gewand in perfekter Anmut über die Strasse.

In der Altstadt von Hanoi

 

Ich hingegen wurde ich das erste mal im Leben über die Straße geführt: ich stand etwas ratlos am Straßenrand und fragte mich, ob ich jemals die andere Seite erreiche, da kam eine junge Vietnamesin, hakte mich unter. 

Hier spielt sich das Leben auf der Straße ab. Ich hause in einem hostel (Zwölfbettzimmer, bin die einzige über dreissig) in der Altstadt und an jeder Ecke gibt es kleine Lokale, die aus ein paar kniehohen Tischen mit passenden schemelchen bestehen. Man kann eine Nudelsuppe oder andere Köstlichkeiten verspeisen oder ein frisch gezapftes Bier für fünf dong (ca 15 cent). So man den hygienischen Verhältnissen auch dann noch traut, wenn man gesehen hat, wie der Abwasch vor sich geht: auch am Straßenrand, mit einer Plastikschüssel und ein bisschen Spülwasser. Aber ich hänge gerne abends auf einem dieser Hocker herum und betrachte das Chaos. Ich habe schon mein Lieblingslokal, das aus drei Tischen besteht, die zäh gegen die Nachbarwirte verteidigt werden. Es war gleich am ersten Tag in Hanoi, der junge Mann lächelte mich einladend an und auf den Schild hinter ihm stand „french Fries“ – da konnte ich nicht länger widerstehen und genehmigte mir ein Schälchen knusprige kleine pommes frites, die mit Streifen von Mayo und Ketchup verziert waren und süß schmeckten, nach Schmalzgebäck. Vermutlich wurden sie in der gleichen Friteuse gebacken. In welcher Küche die steht, habe ich bisher nicht ergründen können. Das lokal hat keinen hinterraum, es besteht nur aus den drei Tischchen, einem Fass Bier und ein paar Ablagen. Der junge Mann legt seinen Gästen eine ausführliche Speisekarte vor, telefoniert dann mit dem Handy und irgendwann kommt aus einer der dunklen Gassen jemand mit dem Essen.

Die einzelnen Häuser sind eher klein und schmal, ragen aber oftmals weit hinauf, da die Familien ja größer werden, wie mir eine Vietnamesin erklärte, und dann braucht man mehr Platz. Durch das grüne Gefieder der vielen Bäume ziehen sich Unmengen von Kabeln. 

 

Die Elektrik

Abends werden am Straßenrand oft kleine Feuer gemacht. Da wird nicht etwa Abfall verbrannt, sondern man huldigt den Ahnen, indem man ihnen Kleidung, Geld, und alles, was man im Jenseits so braucht, schenkt. Aus Papier. Es gibt eigene Läden, die sich auf Geschenke für die Ahnen spezialisiert haben.

Habe ich schon die Goldene Schildkröte erwähnt? Die Schildkröte gilt hier neben Drachen, Phönix und Einhorn als ein heiliges Tier. Im 15. Jahrhundert hat König Le Loi von den Göttern ein goldenes Schwert bekommen, mit dem er die Chinesen in die Flucht schlug. Als er eine Bootsfahrt auf einem See in Hanoi machte, tauchte eine Goldene Schildkröte auf und forderte das Schwert zurück. Noch heute kann man ihre sterblichen Überreste bewundern, in einem Tempel auf einer kleinen Insel im Hoan-Chien-See.  

 Der See ist umgeben von Promenaden und prächtigen Bäumen, deren Äste über das Wasser ragen, eine zierliche Brücke verbindet die Insel mit der Stadt und noch heute lebt in den grünen Wassern eine riesige Schildkröte, deren Anblick großes Glück und ein langes Leben schenkt. Die idyllische Kulisse wird gern für Hochzeitsfotos genutzt, und so spazieren jede Menge Bräute, Bräutigame und Fotografen herum.

Und Hanoi hat auch kulturell einiges zu bieten. Am ersten Abend habe ich ein kleines Theater im Viertel besucht und vietnamesische Folklore, Lieder, Szenen und Tänze genossen. Am zweiten Abend dann ein Wasserpuppentheater, bei dem die  Marionetten auf dem Wasser agieren und von geheimnisvollen Gestängen bewegt werden.

Wasserpuppentheater in Hanoi

Das Museum der vietnamesischen Frauen fand ich spektakulär, ebenso das ethnologische Museum.

Im Museum der Frauen

 

Im Tempel der Literatur wird der Kranich geputzt. Über dem Altar steht auf Chinesisch : „Die Literatur währt tausend Generationen“

 



Leaving China

18 10 2013

Nach sechs Wochen China will ich nun weiterreisen nach Vietnam. Das Visum um gibt es beim vietnamesischen Konsulat in Nannin. Doch mir graut vor einer weiteren chinesischen Großstadt (7 Millionen) und ich habe das Komplett-Paket einer Reiseagentur im lauschigen Guilin gebucht: Visum besorgen, Bus nach Nanning und von dort am nächsten Morgen weiter mit dem Bus nach Hanoi. Der Pass würde direkt in das Hotel in Nanning gebracht, hieß es. Und dort bin ich nun gestrandet. 

 Hotel in Nanning

Das Hotel – ein luxuriös wirkender Palast mit zwei riesigen Marmorsäulen in der Hotelhalle, das das hostel für mich gebucht hat, weil es direkt an der busstation liegt, lässt mich ohne Pass nicht einchecken.  Nur zum Vergleich: so haben wir sonst gewohnt!

 Hostel in Chengdu

 

Inzwischen hänge ich schon seit zwei Stunden in den roten Sesseln in der Lobby herum und starre auf die riesigen Glastüren. Der Kurier komme so schnell wie möglich, hat der Mann von der Agentur mir am Telefon versprochen. Er hieß übrigens „Forest“. Chinesen, die mit Westlern zu tun haben geben sich oft westliche Namen.

Die supernette Frau vom backstreet hostel in Guilin, die die ganze Sache für mich organisiert hat, meinte schon warnend, es sei aber ein chinesisches Hotel – ich so : well, this is China! Da hat sie gelächelt und gemeint, es spräche möglicherweise niemand englisch, und so ist es auch. Die junge Frau, die mich nicht einchecken wollte und diverse Telefonate führte, bevor ich in die Wartezone gebeten wurde, konnte ein paar Brocken Englisch, ist aber inzwischen auf hohen Hacken in den Feierabend gestöckelt. Nebenbei: Ausländer müssen in China ihren Pass bei sich führen, wer ohne gültiges Visum aufgegriffen wird, muss eine Strafe von ca. 50 Euro pro Tag zahlen, die in Haft umgewandelt werden kann. Wie viele Hinrichtungen gibt es in China jedes Jahr? Waren das 10 000?

Die Fahrt war anstrengend. Es regnet schon den ganzen Tag, die Landschaft liegt eher im trüben. Nach einer Weile stieg die Straße immer mehr an, eine enge Fernstraße voller Laster, steile Abgründe taten sich auf, etliche Unfälle mit grauenhaft zerquetschten Autos, Pkws wie LKWs.

 Wir standen fast eine Stunde im Stau, eingekeilt zwischen mächtigen Lastern, auf dem Bildschirm vorne im Bus schüttelten blonde Schlampen ihre knappen roten Fransenkleider und liessen die Hüften kreisen. 

Als es dann endlich weiterging, drängten sich alle an die Fenster, sahen sich das Massaker genau an, machten noch ein Foto und sackten unter lautem Wehklagen wieder auf ihre Sitze. So machten wir erst nach iStunden die erste Pinkelpause, die ich zu einem kleinen Exkurs über chinesische Toiletten nutzen möchte.

Je gepflegter das Lokal, desto höher sitzt man. In gediegenen Restaurants also ganz westlich, gern auch mit rotierender Toilettenbrille, die vor jeder Benutzung automatisch desinfiziert wird. In der nächsttieferen Kategorie gibt es dann die französische Toilette, zum hocken, nicht selten mit Lichtschranke: sobald man aufsteht, wird gespült. An den Bahnhöfen sind die Toiletten dann eher basic. Die Türen – so vorhanden- sind nur etwa einen Meter hoch und selten abzuschließen, oft stehen sie auch einfach auf. Chinesinnen pinkeln ungeniert in Gesellschaft. Manchmal zieht sich durch die Kabinen auch einfach eine Rinne, so wie in Kuhställen. Man bzw. frau hockt sich vor die Rinne oder breitbeinig drüber. Auf dem letzten Busbahnhof gab es neben den Kabinen ein Schaufelrad, auf das aus einem Schlauch ein kleines Rinnsal lief. Sobald der Wasserbehälter voll war, kippte es in die Rinne – Spülung!!! Die Geruchsentwicklung ist beträchtlich, aber im Zweifelsfall würde ich selbst diese Aborte manchem deutschen Autobahn vorziehen. Papier gibt es übrigens nicht. Das hat jeder in der Tasche und immer bei sich, in Form von kleinen Päckchen Papiertaschentüchern.

Doch so befremdlich es bisweilen um die Ausscheidungen bestellt ist, so blitzeblank und hygienisch geht es bei der Nahrungsaufnahme zu. Nicht selten liegt in den Restaurants auf der Tischdecke eine Plastikfolie, die nach jedem Essen mitsamt der Servitten, Knochen und anderer Essensreste entfernt wird. Und es gibt immer viele Reste, denn das Getier wird unzerlegt gebraten und dann kleingehackt. (Das Metzgerhandwerk hätte hier goldenen Boden!) Das Geschirr steht in Folie eingeschweisst auf dem Tisch bereit, und in Strassenlokalen wird oft eine Plastikfolie über die Reisschalen oder Teller gelegt und man isst dann davon. 

Doch zurück in den Bus! Als es nach der Pause weiterging, hatten sich alle meine Mitreisenden mit Proviant eingedeckt, und auch ich war ziemlich hungrig, denn bis dahin musste ich von der Mandarine zehren, die meine nette Nachbarin mir angeboten hatte. Ich packte glücklich mein Eis aus und sah mich um. Einer knabberte einen heißen Maiskolben, ein anderer ein aufgespießtes Würstchen und meine nette Nachbarin riss eine Plastikverpackung auf und schob sich genussvoll einen Hühnerfuss in den Mund. 

Apropos Füße: Ich kann China nicht verlassen, ohne über die Kissing Fish zu schreiben. Aber vielleicht reicht auch ein Foto:

 

Kissing Fish Spa in Guilin 

In der Fußgängerzone in Guilin gibt es jede Menge dieser Salons, und alle, die darin sitzen, Grinsen selig und behaupten, es kitzele nur ein bisschen und anschließend habe man ganz saubere, weiche Füße.

 

Füße bei die Fische

Statt der Füße wollte ich mein Haar verschönern lassen und habe einen chinesischen Friseursalon aufgesucht: waschen und schneiden bitte. Ich wurde in einen plüschig tapezierten Raum mit fünf komfortablen Liegen geführt, der eher an einen Massagesalon erinnerte, und wollte schon Protest einlegen, da sah ich, dass sich am Kopfende der Liegen jeweils ein Waschbecken befand. Die Haare werden im liegen gewaschen, langsam, und gründlich. Auch die Ohren werden gereinigt.

Zurück auf der Autobahn. Nach der Pause waren alle wieder bei Kräften, auch unser schmächtiger, kaum zwanzigjähriger Fahrer und dann hielt der Bus plötzlich mitten in einer Satellitenstadt einige Kilometer vor Nanning an und eh ich mich versah, fand ich mich im Nieselregen an einer chinesischen Schnellstraße wieder, in der Hand einen Zettel mit dem Namen des Hotels, lauter chinesische Zeichen. Und nun? Ich fasste mir ein Herz, sprach ein paar Passanten an – und wurde von einem jungen Chinesen mit seinem Elektroroller direkt zu meinem Hotel kutschiert. Die jungen Chinesen sind häufig sehr hilfsbereit und aufgeschlossen. Wer studieren will, muss Englischkenntnisse nachweisen und diese Sprachkenntnisse bauen die Berührungsängste wohl ein Stück weit ab.

Inzwischen hat der Kurier mir tatsächlich meinen Pass gebracht, ich habe ein Zimmer bezogen, sogar noch was Feines gegessen. Da es morgen früh losgeht, habe ich noch einen kleinen Gang gemacht, um zu schaun, wo eigentlich der Busbahnhof ist. Dabei kam ich an einem Schild vorbei, das mich irritiert hat:

 

Ich glaube nicht, dass es sich um eine Tierklinik handelt, in der kranke Hunde, Hühner und Ziegen behandelt werden, zumal das Schild vor einem Restaurant stand. 

Ein letzter Blick auf meine Lieblingslandschaft:

am Li bei Yangshuo

 

Nach 6 Wochen China sage ich: Bye-Bye!



Zwei Löwen spielen Ball

12 10 2013

Zwei Löwen spielen Ball, ein Frosch überquert den Fluss, die Schildkröte klettert den Berg hinauf oder ganz einfach „Pfirsichberg“  – das sind Namen der zahllosen Kalkberge, die hier in der Gegend herumstehen. Manche sehen aus wie riesige Heuschober, andere wie Pyramiden oder Tannenzapfen oder eben – wie zwei Löwen, die Ball spielen. Die Chinesen sind außerordentlich kreativ im Erfinden von blumigen Namen.

Wir sind endlich auf dem Land, in Südchina, in der Provinz Guangxii, die eine Banknote ziert und wohl mehr gemalt und fotografiert wird als jede andere Gegend Chinas. „Das ist die schönste Landschaft der Welt“ lernt hier angeblich jedes Kind in der Schule – und ich kann mich dem nur anschließen. 

Überhaupt Südchina: falls ich jemals über China gelästert haben sollte, möchte ich das sofort zurücknehmen. Es ist mollig warm, der Himmel ist Blau, die Menschen sind außerordentlich hilfsbereit und freundlich. Heute haben wir eine lange Radtour gemacht, durch Dörfer, Reisfelder, Mandarinenplantagen, am Fluss entlang. 

 

 

Und überall ragten die enormen Karstkegel in die Höhe. Außerirdisch. Selbst die Bauern auf dem Feld haben uns ein fröhliches „hello!“ oder „ni hao“ entgegengerufen. Und wenn wir uns verfahren haben oder eigentlich schon kurz davor, wurden wir wieder auf den richtigen Weg gebracht.

Ob das am Süden liegt oder daran, dass man hier an Touristen gewöhnt ist und auch vom Tourismus lebt? 

Schon als wir in Guilin aus dem Flughafenbus stiegen (waren von chengdu nach guilin geflogen), haben wir grosse Augen gemacht. Palmen, zwanzig Meter hoher Bambus, viele tragen die typischen Hüte Südostasiens, Frauen gehen mit Sonnenschirm umher. Am Straßenrand werden Lychees, frische Kokosnüsse, Khakis und Bergeweise köstliche Mandarinen feilgeboten. 

 

 Kokosnussverkäufer                                                          Chili fürs Abendessen

 

 

Am Ufer des Li, der durch Guilin fließt, wuchert riesiger Bambus und die Bäume sind dermassen bedeckt von Farnen, dass sie aussehen wie üppig behaart.  

Abends wird die ganze Pracht dann noch illuminiert und sowohl der mindestens zwanzig Meter hohe Bambus, der den Fluss säumt, als auch die behaarten Bäume leuchten hellgrün. Über den Fluss spannt sich eine Brücke, die ihrerseits in einem kräftigen Kobaltblau erstrahlt. Auf dem Weg zur Brücke schreitet man unter blinkenden Bögen mit Kugeln und Glocken durch, die alle naselang die Farbe wechseln. Hier ist ständig Weihnachtszeit.

Und auf der Promenade, unter den behaarten, neongrün illuminierten bäumen, ist abends richtig was los. Hier eine Tanzgruppe, die Flamenco übt, dort Rock’n Roll, daneben eine Art Karaoke, dann sausen ein paar Teenies mit Inlinern vorbei und weiter hinten dann eine richtig gute, blutjunge Rockband.

Diesen Fluss, den Li, sind wir dann entlanggeschippert nach Yangshuo, einem Städtchen im Süden von Guilin, bamboorafting nennt sich das. Vier Sitzplätzen auf einem Floß, hinten ein kleiner Motor und ein Flößer, der uns mit Motor und Bambusstaken durch die atemberaubende Landschaft gefahren hat.

Bamboorafting auf dem Li

 

 Chinesisches Paar auf dem Li

  

In Guilin hatten wir noch unsere Visa verlängert, eine etwas nervige Angelegenheit, sich auf einem Amt zu befinden (Public Security), wo man etwas wichtiges braucht, aber nichts versteht. Kaum etwas ist auf englisch angeschrieben, die richtigen Formulare finden und dann den richtigen Schalter, aber vorher herauskriegen, wo es die Wartenummern gibt, wo man die nötigen Fotokopien machen kann (in der reiseagentur gegenüber)… kafkaesk und das auf chinesisch, habe an meine Kursteilnehmer gedacht, die ja ständig zu Ämtern müssen, wo sie nichts verstehen. 

In den Städten haben wir öfter Gruppen Uniformierter gesehen, die im Stechschritt durch die Strasse marschierten. Auch auf dem Li zeigte die Polizei Präsenz und fräste mit einem Schnellboot zwischen den Ausflüglern durch. Wir waren mit einer Gruppe von ca. 6 Booten gestartet und die wurden plötzlich allesamt ans Ufer gewunken. Zuerst dachten wir noch, wir sollten den Fluss freigeben für die größeren Schiffe, die da auch verkehren und uns mit ihrer Bugwelle sofort ins Wasser gekippt hätten. Aber darum ging es nicht. Sofort waren etwa zehn Polizisten zur Stelle und einer der Flößer, offenbar der Chef, musste Papiere vorweisen. Es wurde debattiert, mit Geld gewinkt, geschimpft, telefoniert, gebeten, lamentiert. Offenbar ging es um die Transportlizenzen, und uns war schon aufgefallen, dass die Flößer mit verschiedenen Schildern hantiert hatten und die auch austauschten. 

Dann durften wir endlich weiterfahren, langsam, gemächlich den blaugrünen Fluss entlang, durch eine Landschaft wie aus einem Traum.

So könnte es immer weitergehen.



neulich im Tempel

8 10 2013

Ein stickiger Tag in Chengdu, Sonntag, golden week, das Taxi steckt im Stau fest, diese vielen Autos, diese vielen Menschen, Smog, Krach, Chinakoller… Und dann treten wir durchs Tor, der Geruch von Räucherstäbchen liegt in der Luft, in dunkelblau gekleidete Mönche mit langen Haaren, die sie zum Knoten zusammenstecken, gleiten mit geschmeidigen Bewegungen durch die grosszügige Anlage, vor uns eine achteckige Pagode mit grünen Dachziegeln, goldenen geschnitzten Säulen und im Inneren Laotse, wie er auf einem Maultier gen Westen reitet. 

 

Es ist ein taoistischer Tempel, in dem Laotse gehuldigt wird, aber auch einigen Göttern befreundeter Religionen. Ich kannte Laotse wie auch Konfuzius bisher nur als Philosophen, aber in China ist die Grenze zwischen Weisen und Göttern wohl durchlässiger als im Westen. 

Man schreitet durch ein Tor nach dem anderen, steht immer wieder vor einem neuen Tempel, in dem einer anderen Gottheit gehuldigt wird, davor stehen oft Behältnisses für die Räucherstäbchen, gross wie Badewannen. In einem Tempel kann man das Orakel befragen. Man kniet sich auf eines der mit Seerosen bestickten Kissen vor dem Altar, huldigt und nimmt dann einen hölzernen Köcher, in dem eine Menge Stäbchen stecken. Den schüttelt man, bis eines der Stäbchen herausfällt. Man bezahlt etwas Geld, bekommt einen Text ausgehändigt und wendet sich damit an einen jungen Mönch, der den Text erklärt. Es ist wie im I-Ging, dem Buch der Wandlungen, in dem es ja auch 64 Zeichen gibt, aus denen man dann eines zieht.

 Die junge Frau schüttelt den Köcher

Wir gehen weiter und entdecken ein Teehaus, besorgen uns einen grünen Tee (Tasse, Untertasse, Deckel, Teeblätter), setzten uns auf einen der Korbstühle und harren der Dinge, die da kommen, denn wir haben zwar Tee, aber kein heißes Wasser. Das bekommen wir nach einer Weile von einem Mann, der von Tisch zu Tisch geht und aus einem silbernen Wasserkessel heißes Wasser nachschüttete. Als der Tee ein bisschen gezogen hat, zeigt die ältere Dame neben uns, wie man ihn trinkt: man benutzt den Deckel als Schale und schöpft damit aus der großen Tasse ein Schlückchen köstlichen Tee und genießt ihn! Obwohl sie kein Englich spricht und ich fast kein Chinesisch, verstehen wir uns gut. Sie war früher auch Lehrerin und bietet uns köstliche Bonbons namens Alpenliebe an. 

Im Teehaus

 

Als wir zum Ausgang des Tempels schlendern, hören wir Trommeln, Schellen, Gesänge, folgen den fremden, aber schönen Klängen und werden Zeugen einer Zeremonie, in der geräuchert, gehuldigt und gebetet wird. 

 

 Zeremonie im taoistischen Tempel

Am Abend unterhalte ich mich im hostel mit einem jungen Chinesen. Er studiert Tierhaltung. Konfuzius, sagt er, der sei nur was für alte Leute. Ob er an einen Gott glaubt, frage ich. Er grinst und spielt noch ein Lied, ganz leise, singt dazu, Text und Akkorde hat er auf dem Laptop. Er spielt Ukulele und es klingt wie Hawaii. Music is god, sagt er.



Pandas, Buddhas Ohr und der Heiratsmarkt

5 10 2013

Lesen »



Märchenland auf 3000 Metern

2 10 2013

Der Gott Dage verliebte sich in die wunderschöne Göttin Wonuosemo. Er schenkte ihr einen Spiegel , den er aus Wolken und Wind geschaffen hatte. Das weckte die Eifersucht des Teufels, der ebenfalls in sie vernarrt war. Er sorgte dafür, dass der Spiegel zu Bruch ging. Die Scherben fielen auf die Erde und verwandelten sich in 114 funkelnde und kristallklare Seen. So entstand das märchenhafte Jiuzhaigou, ein Nationalpark in Sezuan, im Westen Chinas, auf 2-3000 Metern Höhe.

Als wir spät abends auf dem Provinzflughafen landeten, im Kopf die Beschreibung des Hostels, das als „Worst hostel of China“  bewertet wurde, war es kalt, wir wurden zwar abgeholt, aber der Fahrer sprach kein Wort englisch und fuhr Serpentine um Serpentine tiefer in die Nacht. Eine halbe Stunde, eine Stunde, anderthalb Stunden. Zwischendurch telefonierte er, rotzte aus dem Fenster. Dann kamen wir endlich an. Der Ort erinnerte an Nepal und an Gebirgsorte in den Alpen, wo sich im schmalen Tal die Hotels und Läden aneinanderdrängen. Unser Zimmer war akzeptabel, die Betten nicht so hart, wie wir es inzwischen gewohnt sind (die Matratzen sind oft nur 5 Zentimeter dick!), und was das beste war: unter den Laken schlummerte eine „Betthexe“, wie meine Oma  ihre elektrische Heizdecke nannte.  

Am nächsten Tag ging es dann in den Park, und auch hier folgte eine Überraschung auf die andere. Es kostete 300 Yuan Eintritt inclusive Busbenutzung, was etwa 38 Euro sind, nicht gerade ein Pappenstiel. Doch die Seen sind von ausserirdischer Schönheit und die Chinesen pilgern in Massen in den Park. Es sollen im Jahr 2 Millionen Touristen sein, aber das verlief sich dann doch auf den unglaublich gepflegten Wegen.. Man geht dort auf etwa einen Meter breiten Holzstegen, sobald das Gelände ansteigt oder abfällt, sind es Treppen, wo nötig mit Geländer, und das auf ca. 50 Kilometern Länge vorbei an 17 rauschenden Wasserfällen, 47 Quellen und den 114 Seen, die ihren blumigen Namen ( tigersee, Spiegelsee, glitzernder See, See des schlafenden Drachen) alle Ehre machen. Das Türkis erinnert an die Buchten Mallorcas, aber dazu kommt das saftige Grün der Wälder, das Weiss der schäumenden Bäche, die Spiegelungen hoch aufragenden Berge, dazu die würzige Gebirgsluft. Das Wasser enthält zwar viel Kalk, aber kaum Nährstoffe und so werden hineingestürzte Bäume konserviert, und irgendwann bilden sich kleine Inseln, die aussehen wie ikebana.

 

 

Jiuzhaigou heißt eigentlich Tal der neun Dörfer, und es sind tibetische Dörfer. An den Tempeln flattern bunte Fahnen, es wird Yakfleisch und tibetischer Schmuck angeboten, aber die Menschen wirken wie eine verarmte Folkloregruppe in ihrer eigenen Heimat.

 

 

 Tibetische Mönche im Jiuzhaigou Nationalpark 

 Am 1. Oktober war hier der Nationalfeiertag: man beging den 64. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China. Vom 1. bis 7. Oktober sind allgemeine Ferien, Ämter sind geschlossen, viele Menschen haben frei. Aber wir hatten uns in den Kopf gesetzt, ausgerechnet am Nationalfeiertag zu reisen, von Jiuzhaigou nach chengdu zu fliegen. Ein Ticket hatten wir schon, aber wie zum Flugplatz kommen, der 80 Kilometer entfernt liegt? Doch früh um halb neun klopfte es an unserer Tür und ein junger Chinese fragte, ob wir ein Taxi teilen wollten, er müsse auch zum Flughafen. Es war dann eine entspannte Fahrt, vorbei an einem Tempel mit goldener Stupa, flankiert von Viertausendern, kaum noch Bäume, schroffe Felsen und dann ein Stopp bei einem Rastplatz, wo man Spieße, Fladen oder Buttertee zu sich nehmen konnte. Oder Fotos mit einem Yak machte.

 



spielen, lachen, Sonne auf dem Bauch

1 10 2013

 

Eine ältere Frau in petrolfarbener Jacke und weiter Hose dreht sich langsam und versonnen auf einer rotierenden Scheibe, aus einem Ghettoblaster säuselt chinesische Musik, über Tischtennisplatten fliegen die Bälle in weiten Bögen, ein Spätsommertag Ende September. Ein Spielplatz unter Bäumen, doch hier turnen nicht Kinder, sondern Erwachsene. Und die Geräte sind auch nicht für Kinder gedacht. Ich sehe eine Weile zu, dann tue ich den anderen gleich, massiere mir Rücken und Bauch an genoppten Walzen, trainiere mal diesen, mal jenen Muskel. Eine Frau mit breitem Gesicht lächelt mich an und ihr Gesicht wird noch breiter. 

In Brusthöhe tellergrosse gelbe Scheiben mit dem Yin-Yang-Zeichen, man legt die Hände darauf und dreht in entgegengesetzte Richtungen. 

Zwei Frauen liegen auf geschwungenen Metallgestellen, lassen die Köpfe nach unten baumeln. Zwischen ihnen ist eine Liege frei, ich geselle mich zu ihnen, sie zeigen mir, wie sie den Nacken trainieren, ich mache es ihnen nach, wir haben alle drei verschwitzte Gesichter, sehen durch gefiedertes Blattwerk in den strahlend blauen Himmel. 

An Bäumen sind Stahlseile mit Griffen befestigt, man nimmt die Griffe, zieht mal mit dem einen, mal mit dem anderen Arm. Ich stelle mich ungeschickt an, mein Nachbar, ein sehniger, gutaussehender Mann in schwarz zeigt es mir, seine Begleiterin fragt: „Does she speak Chinese?“ Und wirkt enttäuscht, als ich verneinen muss. Sprachkenntnisse sind hier die Eintrittskarte. Viele Menschen sind  interessiert und freundlich, erzählen auch, dass alle in der Schule englisch lernen, aber, wie uns heute eine junge Frau berichtete, fehlt ihnen die Praxis. Sie lernen englisch nur für die Prüfung, es bleibt eine fremde Sprache, eine fremde Kultur.

Am nächsten Tag in einem anderen Park: 

Gesangsdarbietungen unter freiem Himmel, ein schrebbeliger Verstärker, Boxen, ein Mann am Keyboard und eine Frau mit glockenheller Stimme und Mikro, die chinesische Schlager singt. Spaziergänger bleiben stehen und hören zu. Zwischen den Bäumen leuchten bunte Farben, ein kleiner See mit Tretbooten, ein Vergnügungspark für Kinder. Wurfbuden, Karussells, Tische mit Pinseln und Farben, an denen Kinder vorgefertigte Gipsfiguren bemalen, Buden mit Zuckerwatte, Klettergeräte.

 



Nachmittags sind wir dann zum Flughafen, um eine Stunde gen Westen zu fliegen, in einen Nationalpark im Gebirge. Unterwegs gab es wieder einige Bäuche zu bestaunen. 


Chinesische Männer


Und auf dem Flughafen konnte man sich stundenweise Schlafboxen mieten, sehr erstaunlich. 



Schlafbox am Flughafen von Xi’an.


Ebenso erstaunlich, aber völlig überzeugend sind die Wasserstellen, die es auf Bahnhöfen und an Flughäfen gibt. Hier holt man sich heißes Wasser für Tee, den die Chinesen offenbar immer bei sich haben oder für die beliebten Nudelsuppen aus großen Pappbechern. Die schmecken übrigens gut! Man bekomm sie fast überall, in Läden, Zügen, einfachen Lokalen, mit einer zusammenklappbaren Gabel, die ebenso wie Nudeln und Papier eine chinesische Erfindung sein muss.

Wasserstelle am Flughafen von jiuzhaigou