Café in Hanoi
21 10 2013Kaffeegeschäft in Hanoi
Er schmeckt ein bisschen schokoladig, sehr würzig und kräftig, aber kein bisschen sauer, hat eine feine schaumige Crema. So einen köstlichen Kaffee habe ich noch nie getrunken, dabei ist es nur ein winziges Probiertässchen, der Kaffee ist schon fast kalt und sehr süß, aber so lecker… Ich bin in einem Kaffeegeschäft in der Altstadt von Hanoi, wo uns eine Probe der Spezialität des Hauses kredenzt wurde. Und das war, nun ja, ich habe es auch erst danach erfahren, der berühmte Wieselkaffee, der aus den Bohnen hergestellt wird, die das possierliche Tier verzehrt und dann in seinem Verdauungstrakt fermentiert hat.
Die Anreise aus China lief besser als erwartet. Außer einem jungen Schweden und mir waren keine weiteren Langnasen an Bord. Die Landschaft wurde grüner, der Reis stand noch auf den Feldern, vermrutlich regnet es öfter mal.Der Bus war richtig komfortabel, eine Stewardess kümmerte sich um die Formalitäten und um unser leibliches Wohl. An der Grenze mussten dann alle aussteigen, ihr Gepäck schultern und zu Fuß zuerst über die chinesische, dann über die vietnamesische Grenze. Dann wieder in den Bus und weiter ging’s, bis zum nächsten Stop: „Lunch!“ In China werden viele Schüsseln auf den Tisch gestellt (meist auf ein drehbares Rondell) und alle bedienen sich, aber hier gab es ein hellblaues Plastiktablett für jeden, mit Vertiefungen für Suppe (mit einer dicken Kartoffel,welch ein Genuss!), Reis, Sprossen mit Fleisch, gewürztem Tofu, Fleisch mit Soße – vielleicht Schaf. Alles lecker!!
Vietnamesin in Hanoi
Hanoi hat jede Menge Kultur, Flair und Charme. Die französische Kolonialarchitektur vermodert langsam in der tropischen Hitze, im Tempel werden die sterblichen Überreste der goldenen Schildkröte aufbewahrt und mitten in einem Geschwader von Motorrollern schreitet eine Frau in einem langen vietnamesischen Gewand in perfekter Anmut über die Strasse.
In der Altstadt von Hanoi
Ich hingegen wurde ich das erste mal im Leben über die Straße geführt: ich stand etwas ratlos am Straßenrand und fragte mich, ob ich jemals die andere Seite erreiche, da kam eine junge Vietnamesin, hakte mich unter.
Hier spielt sich das Leben auf der Straße ab. Ich hause in einem hostel (Zwölfbettzimmer, bin die einzige über dreissig) in der Altstadt und an jeder Ecke gibt es kleine Lokale, die aus ein paar kniehohen Tischen mit passenden schemelchen bestehen. Man kann eine Nudelsuppe oder andere Köstlichkeiten verspeisen oder ein frisch gezapftes Bier für fünf dong (ca 15 cent). So man den hygienischen Verhältnissen auch dann noch traut, wenn man gesehen hat, wie der Abwasch vor sich geht: auch am Straßenrand, mit einer Plastikschüssel und ein bisschen Spülwasser. Aber ich hänge gerne abends auf einem dieser Hocker herum und betrachte das Chaos. Ich habe schon mein Lieblingslokal, das aus drei Tischen besteht, die zäh gegen die Nachbarwirte verteidigt werden. Es war gleich am ersten Tag in Hanoi, der junge Mann lächelte mich einladend an und auf den Schild hinter ihm stand „french Fries“ – da konnte ich nicht länger widerstehen und genehmigte mir ein Schälchen knusprige kleine pommes frites, die mit Streifen von Mayo und Ketchup verziert waren und süß schmeckten, nach Schmalzgebäck. Vermutlich wurden sie in der gleichen Friteuse gebacken. In welcher Küche die steht, habe ich bisher nicht ergründen können. Das lokal hat keinen hinterraum, es besteht nur aus den drei Tischchen, einem Fass Bier und ein paar Ablagen. Der junge Mann legt seinen Gästen eine ausführliche Speisekarte vor, telefoniert dann mit dem Handy und irgendwann kommt aus einer der dunklen Gassen jemand mit dem Essen.
Die einzelnen Häuser sind eher klein und schmal, ragen aber oftmals weit hinauf, da die Familien ja größer werden, wie mir eine Vietnamesin erklärte, und dann braucht man mehr Platz. Durch das grüne Gefieder der vielen Bäume ziehen sich Unmengen von Kabeln.
Die Elektrik
Abends werden am Straßenrand oft kleine Feuer gemacht. Da wird nicht etwa Abfall verbrannt, sondern man huldigt den Ahnen, indem man ihnen Kleidung, Geld, und alles, was man im Jenseits so braucht, schenkt. Aus Papier. Es gibt eigene Läden, die sich auf Geschenke für die Ahnen spezialisiert haben.
Habe ich schon die Goldene Schildkröte erwähnt? Die Schildkröte gilt hier neben Drachen, Phönix und Einhorn als ein heiliges Tier. Im 15. Jahrhundert hat König Le Loi von den Göttern ein goldenes Schwert bekommen, mit dem er die Chinesen in die Flucht schlug. Als er eine Bootsfahrt auf einem See in Hanoi machte, tauchte eine Goldene Schildkröte auf und forderte das Schwert zurück. Noch heute kann man ihre sterblichen Überreste bewundern, in einem Tempel auf einer kleinen Insel im Hoan-Chien-See.
Der See ist umgeben von Promenaden und prächtigen Bäumen, deren Äste über das Wasser ragen, eine zierliche Brücke verbindet die Insel mit der Stadt und noch heute lebt in den grünen Wassern eine riesige Schildkröte, deren Anblick großes Glück und ein langes Leben schenkt. Die idyllische Kulisse wird gern für Hochzeitsfotos genutzt, und so spazieren jede Menge Bräute, Bräutigame und Fotografen herum.
Und Hanoi hat auch kulturell einiges zu bieten. Am ersten Abend habe ich ein kleines Theater im Viertel besucht und vietnamesische Folklore, Lieder, Szenen und Tänze genossen. Am zweiten Abend dann ein Wasserpuppentheater, bei dem die Marionetten auf dem Wasser agieren und von geheimnisvollen Gestängen bewegt werden.
Wasserpuppentheater in Hanoi
Das Museum der vietnamesischen Frauen fand ich spektakulär, ebenso das ethnologische Museum.
Im Museum der Frauen
Im Tempel der Literatur wird der Kranich geputzt. Über dem Altar steht auf Chinesisch : „Die Literatur währt tausend Generationen“
Hallo liebe Bettina,
ich seh schon – die Reise bleibt auch für uns äußerst spannend.
Kann es sein, dass Du irgendwie entspannter bist als in China?
Wahrscheinlich ist Vietnam doch schon ein Ticken westlicher orientiert als China. Wie ist es hier mit der Verständigung? Und überhaupt alles! Wo sind die größten Unterschiede zwischen den beiden Staaten?
Nochmals danke, für die tollen Berichte und Fotos!
Liebe Grüße von den 3 Langes
Liebe Bettina,
oh, wie ist das doch alles aufregend und spannend und macht neugierig auf mehr! Du schreibst so schön. Danke für deinen Reisebericht!
Vietnam ist offener, französischer, charmanter, herzlicher… Und keiner rotzt.
Aber gerne! Das schreiben hilft auch ein bisschen gegen Heimweh….
Liebe Bettina,
nach China spazieren wir jetzt mit dir durch Vietnam.
Toll, all deine farbenfrohen Fotos und noch toller: dein lebendiger Bericht.
Wie hast du so schön den Spruch aus dem Tempel der Literatur zitiert:
“Die Literatur währt tausend Generationen”
Na dann … schreib weiter! Und immer weiter …
Es ist so aufregend, was du da alles erlebst. Da kriegen auch solche Schisshasen wie ich Lust auf mehr.
LG
Karin
Hahaha, herzlichen Dank für deine erfrischenden Gedanken und Berichte.
Das Kabelchaosfoto ist herrlich, muss ich Heinrich sagen, er hat es ja ähnlich mit seinen Kabeln. Ich habe ja, als ich noch an Reinkarnation glaubte , immer gesagt: Heinrich ist mein bengalischer Ehemann:) Fährst du da eigentlich auch noch vorbei? Ne, du warst ja schon mal in Bangladesh!?
Vietnam klingt in deinen Beschreibungen liebevoller, aufmerksamer, feinsinniger. Das höre ich jedenfalls heraus. Einen schönen Tag und bis bald. Die Macht ist mit dir! ( Luke Skywalker ) KUSS