Märchenland auf 3000 Metern
2 10 2013Der Gott Dage verliebte sich in die wunderschöne Göttin Wonuosemo. Er schenkte ihr einen Spiegel , den er aus Wolken und Wind geschaffen hatte. Das weckte die Eifersucht des Teufels, der ebenfalls in sie vernarrt war. Er sorgte dafür, dass der Spiegel zu Bruch ging. Die Scherben fielen auf die Erde und verwandelten sich in 114 funkelnde und kristallklare Seen. So entstand das märchenhafte Jiuzhaigou, ein Nationalpark in Sezuan, im Westen Chinas, auf 2-3000 Metern Höhe.
Als wir spät abends auf dem Provinzflughafen landeten, im Kopf die Beschreibung des Hostels, das als „Worst hostel of China“ bewertet wurde, war es kalt, wir wurden zwar abgeholt, aber der Fahrer sprach kein Wort englisch und fuhr Serpentine um Serpentine tiefer in die Nacht. Eine halbe Stunde, eine Stunde, anderthalb Stunden. Zwischendurch telefonierte er, rotzte aus dem Fenster. Dann kamen wir endlich an. Der Ort erinnerte an Nepal und an Gebirgsorte in den Alpen, wo sich im schmalen Tal die Hotels und Läden aneinanderdrängen. Unser Zimmer war akzeptabel, die Betten nicht so hart, wie wir es inzwischen gewohnt sind (die Matratzen sind oft nur 5 Zentimeter dick!), und was das beste war: unter den Laken schlummerte eine „Betthexe“, wie meine Oma ihre elektrische Heizdecke nannte.
Am nächsten Tag ging es dann in den Park, und auch hier folgte eine Überraschung auf die andere. Es kostete 300 Yuan Eintritt inclusive Busbenutzung, was etwa 38 Euro sind, nicht gerade ein Pappenstiel. Doch die Seen sind von ausserirdischer Schönheit und die Chinesen pilgern in Massen in den Park. Es sollen im Jahr 2 Millionen Touristen sein, aber das verlief sich dann doch auf den unglaublich gepflegten Wegen.. Man geht dort auf etwa einen Meter breiten Holzstegen, sobald das Gelände ansteigt oder abfällt, sind es Treppen, wo nötig mit Geländer, und das auf ca. 50 Kilometern Länge vorbei an 17 rauschenden Wasserfällen, 47 Quellen und den 114 Seen, die ihren blumigen Namen ( tigersee, Spiegelsee, glitzernder See, See des schlafenden Drachen) alle Ehre machen. Das Türkis erinnert an die Buchten Mallorcas, aber dazu kommt das saftige Grün der Wälder, das Weiss der schäumenden Bäche, die Spiegelungen hoch aufragenden Berge, dazu die würzige Gebirgsluft. Das Wasser enthält zwar viel Kalk, aber kaum Nährstoffe und so werden hineingestürzte Bäume konserviert, und irgendwann bilden sich kleine Inseln, die aussehen wie ikebana.
Jiuzhaigou heißt eigentlich Tal der neun Dörfer, und es sind tibetische Dörfer. An den Tempeln flattern bunte Fahnen, es wird Yakfleisch und tibetischer Schmuck angeboten, aber die Menschen wirken wie eine verarmte Folkloregruppe in ihrer eigenen Heimat.
Tibetische Mönche im Jiuzhaigou Nationalpark
Am 1. Oktober war hier der Nationalfeiertag: man beging den 64. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China. Vom 1. bis 7. Oktober sind allgemeine Ferien, Ämter sind geschlossen, viele Menschen haben frei. Aber wir hatten uns in den Kopf gesetzt, ausgerechnet am Nationalfeiertag zu reisen, von Jiuzhaigou nach chengdu zu fliegen. Ein Ticket hatten wir schon, aber wie zum Flugplatz kommen, der 80 Kilometer entfernt liegt? Doch früh um halb neun klopfte es an unserer Tür und ein junger Chinese fragte, ob wir ein Taxi teilen wollten, er müsse auch zum Flughafen. Es war dann eine entspannte Fahrt, vorbei an einem Tempel mit goldener Stupa, flankiert von Viertausendern, kaum noch Bäume, schroffe Felsen und dann ein Stopp bei einem Rastplatz, wo man Spieße, Fladen oder Buttertee zu sich nehmen konnte. Oder Fotos mit einem Yak machte.
das sind immer so wunderbar geschriebene geschichten, bei denen du uns mitnimmst und die fotos unterstreichen das ganze noch. man sieht förmlich zumindest einen der zersprungen spiegel… ich bin jedesmal ganz fasziniert.
in deinem garten reifen die boskop-äpfel, der wilde wein leuchtet rot, der thymian duftet und die hecke scheint geschnitten zu sein. 😉 lg.