neulich im Tempel
8 10 2013Ein stickiger Tag in Chengdu, Sonntag, golden week, das Taxi steckt im Stau fest, diese vielen Autos, diese vielen Menschen, Smog, Krach, Chinakoller… Und dann treten wir durchs Tor, der Geruch von Räucherstäbchen liegt in der Luft, in dunkelblau gekleidete Mönche mit langen Haaren, die sie zum Knoten zusammenstecken, gleiten mit geschmeidigen Bewegungen durch die grosszügige Anlage, vor uns eine achteckige Pagode mit grünen Dachziegeln, goldenen geschnitzten Säulen und im Inneren Laotse, wie er auf einem Maultier gen Westen reitet.
Es ist ein taoistischer Tempel, in dem Laotse gehuldigt wird, aber auch einigen Göttern befreundeter Religionen. Ich kannte Laotse wie auch Konfuzius bisher nur als Philosophen, aber in China ist die Grenze zwischen Weisen und Göttern wohl durchlässiger als im Westen.
Man schreitet durch ein Tor nach dem anderen, steht immer wieder vor einem neuen Tempel, in dem einer anderen Gottheit gehuldigt wird, davor stehen oft Behältnisses für die Räucherstäbchen, gross wie Badewannen. In einem Tempel kann man das Orakel befragen. Man kniet sich auf eines der mit Seerosen bestickten Kissen vor dem Altar, huldigt und nimmt dann einen hölzernen Köcher, in dem eine Menge Stäbchen stecken. Den schüttelt man, bis eines der Stäbchen herausfällt. Man bezahlt etwas Geld, bekommt einen Text ausgehändigt und wendet sich damit an einen jungen Mönch, der den Text erklärt. Es ist wie im I-Ging, dem Buch der Wandlungen, in dem es ja auch 64 Zeichen gibt, aus denen man dann eines zieht.
Die junge Frau schüttelt den Köcher
Wir gehen weiter und entdecken ein Teehaus, besorgen uns einen grünen Tee (Tasse, Untertasse, Deckel, Teeblätter), setzten uns auf einen der Korbstühle und harren der Dinge, die da kommen, denn wir haben zwar Tee, aber kein heißes Wasser. Das bekommen wir nach einer Weile von einem Mann, der von Tisch zu Tisch geht und aus einem silbernen Wasserkessel heißes Wasser nachschüttete. Als der Tee ein bisschen gezogen hat, zeigt die ältere Dame neben uns, wie man ihn trinkt: man benutzt den Deckel als Schale und schöpft damit aus der großen Tasse ein Schlückchen köstlichen Tee und genießt ihn! Obwohl sie kein Englich spricht und ich fast kein Chinesisch, verstehen wir uns gut. Sie war früher auch Lehrerin und bietet uns köstliche Bonbons namens Alpenliebe an.
Im Teehaus
Als wir zum Ausgang des Tempels schlendern, hören wir Trommeln, Schellen, Gesänge, folgen den fremden, aber schönen Klängen und werden Zeugen einer Zeremonie, in der geräuchert, gehuldigt und gebetet wird.
Zeremonie im taoistischen Tempel
Am Abend unterhalte ich mich im hostel mit einem jungen Chinesen. Er studiert Tierhaltung. Konfuzius, sagt er, der sei nur was für alte Leute. Ob er an einen Gott glaubt, frage ich. Er grinst und spielt noch ein Lied, ganz leise, singt dazu, Text und Akkorde hat er auf dem Laptop. Er spielt Ukulele und es klingt wie Hawaii. Music is god, sagt er.
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